Sie trotzen Wind und Wetter, sorgen im Sommer für ein kühles Raumklima und im Winter für wohlige Wärme: die mit Reet gedeckten Häuser auf der Nordseeinsel. Die ersten Reetdachhäuser auf Sylt entstanden zu Zeiten der ertragreichen Schifffahrt im 18. Jahrhundert. Damals wuchs das widerstandsfähige Schilf noch ausgesprochen üppig auf der nordfriesischen Insel. Heute steht das begehrte Baumaterial auf Sylt – die Importware aus dem Ausland ist bei Weitem nicht so widerstandsfähig wie die heimischen Halme – weitestgehend unter Naturschutz. Der Ertrag der rund 12 Hektar Sylter Anbaufläche reicht für zwei bis drei Dächer. Reet ist eine Schilfpflanze, die zu den Süßgräsern zählt und innerhalb eines Jahres etwa drei Meter wächst. Doch bevor die Halme einem Haus seinen unverwechselbaren Charakter verleihen, ist eine ganze Menge Arbeit nötig. Während in anderen landwirtschaftlichen Segmenten im Winter eher Ruhe herrscht, haben die Reetbauern jetzt Hochsaison. Denn die Erntezeit für Reet unterliegt strengen Regeln und ist genau auf den Zeitraum vom 1. Oktober bis zum 15. März beschränkt. Im Herbst verhärten sich die Halme und sobald Frost herrscht, ist die ideale Erntezeit. Mit speziellen Maschinen werden sie geschnitten, anschließend gleich gebündelt und geschnürt. Danach müssen die Bunde von Hand gereinigt und neu verschnürt werden, bevor sie noch sechs Wochen lang trocknen. Erst dann kann das Reet zum Bauen verwendet werden. 

Klassische Ausbildung 

Reet gehört – vor allem in den Küstenregionen – zu den ältesten Bedachungsmaterialien und auch der Beruf des Reetdachdeckers hat eine lange Tradition. Heute ist der Reetdachbauer ein anerkannter dreijähriger Ausbildungsberuf, wobei die Spezialisierung auf Reetdachtechnik im dritten Lehrjahr erfolgt. Die Auszubildenden sollten neben guten Kenntnissen in Mathematik und Technik eine gute körperliche Konstitution und vor allem Schwindelfreiheit besitzen.